Die Pilger - Karoline von Günderrode

Der erste Pilger

Ich bin erkranket
An Liebespein,
Möcht' nur genesen,
Wollt'st du mein sein.

Dein lieblich Wesen,
Dein Lippenrot,
Hält mich gefangen
Bis an den Tod.

Mein Aug' ist trübe,
Mein' Jugend verdorrt,
Doch kenn' ich noch Heilung,
Wohl weiß ich den Port.

Zu dem will ich wallen
Durch Länder und Meer,
Die Brust ist beklommen,
Das Herz ist mir schwer.

Ich greife zum Stabe,
Ich walle zum Meer;
Es brausen die Winde,
Es tobet das Meer.

Die Vögelein fliegen
So lustig voran,
Sie suchen den Frühling
Und treffen ihn an.

Es hält mich die Liebe,
Ich bliebe so gern,
Doch ziehet mich Sehnsucht
Zum Grabe des Herrn.

Lebt wohl denn ihr Augen
Von freundlichem Schein!
Mein Blick soll zum Himmel
Gerichtet nur sein.

Mich sehnet, o süße
Geliebte nach dir!
Doch wähl' ich das Grab mir
Des Heilands dafür.

Da kniee ich nieder
Voll bitterem Schmerz;
Da kann ich dich lassen,
Da bricht mir das Herz.

Die Heilung ist bitter,
Der Weg ist wohl weit;
Doch greif' ich zum Stabe
Und ende mein Leid.


Der zweite Pilger

Ich scheide froh vom Vaterland
Und suche den geliebten Strand,
Wo Jesus Christus wallte;
Wo er in Demut angetan
Des Erdenlebens schwere Bahn,
Mit stillem Sinne wallte.

Was ist die Herrlichkeit der Welt
Und Alles, was dem Sinn gefällt?
Ich will ihm froh entsagen.
Die ird'sche Kette fällt von mir,
Und Jesu! nur zu dir! zu dir!
Will ich mein Sehnen tragen.

Die Märtyrkrone winket mir
Und Seligkeit wohl für und für,
Wenn ich vollendet habe.
O süße Buße! himmlisch Leid!
In frommer Einfalt Seligkeit,
Ihr wohnt am heil'gen Grabe.