Lied der Fröhlichkeit - Anna Louisa Karsch

im Brachmonat 1762

Den Musen hold und treu
Heiß ich den Gram vorbei
Vor meinem Herzen fliehn
Hin nach dem stolzen Wien!
Da tödt er jede Lust
In böser Räte Brust;
Und den, der andrer Glück
Besieht mit finstern Blick,
Und den, der Geld bewacht,
Den quäl er Tag und Nacht!

Die Furcht, die Traurigkeit,
Den Kummer um die Zeit,
Die morgen kommen soll,
Vertreib du mir, Apoll!
Mir gib dein Saitenspiel
Den Freunden gib Gefühl
Der klugen Welt Gehör;
Dann heisch ich mir nichts mehr
Als nächtlich sanfte Ruh
Vom Vater Zeus dazu.

Mein ist kein Winkel Land
Und keine Traubenwand;
Des Hagels Schlag zerbricht
Mir Baum und Weinstock nicht;
Vor meinen Toren rollt
Kein Wagen, der auf Gold
Und abgestiegne Pracht
Den Pöbel gaffen macht;
Auch steiget in mein Haus
Kein falscher Freund daraus.

Du Bruder von dem Mai
Bekränzter Monat sei
Mit deinen Rosen mein
Streu sie um unsern Wein!
Die jüngsten, die du hast
Gib mir für Wirt und Gast
Bekränzet sei ihr Haupt
Ihr Becher sei belaubt,
Mit Efeu, der verliebt
Den nahen Baum umgibt!

Hier find uns noch der Mond,
Und wenn sein Kreis bewohnt,
In seiner größten Stadt
Auch Musenkinder hat;
So laden wir sie ein,
Sie sollen Zeugen sein:
Wir trinken Friedrichs Sieg
Das Ende von dem Krieg,
Und wollen, daß Apoll
Selbst mit uns trinken soll!