Der Abend im Frühling - Johann Jakob Ihlée

Wie schön ists, wenn hinunter
Die liebe Sonne sinkt,
Und nun dem müden Pflüger
Die Nacht zur Ruhe winkt;
Wenn dämmernd unsre Fluren
Ein Schleier überzieht,
Und all des Himmels Wölkchen
Der Sonne Gold durchglüht!

Dann schleich ich in der Stille
Um unsre Felder her,
Und freue mich des Segens
Der schönen Erde sehr. -
Ein Tränchen, das die Freude
Vom Herzen abgelöst,
Wird dem entzückten Blicke
Vom Jubel ausgepreßt.

Wenn dann im Sternenkleide
Der blaue Himmel steht,
Und unser Dorf vorüber
Der schöne Vollmond geht;
Wenn in der großen Weite
Sich kein Geschöpf mehr regt,
Und nur die muntre Wachtel
Im Saatenfelde schlägt;

Wenn sanfter Philomele
Ihr Lied von Liebe singt,
Und ihrem großen Schöpfer
Ein Abendopfer bringt,
Daß horchend selbst die Weste
Nun immer leiser gehn,
Und Melodie'n im Wipfel
Des Blütenbaumes wehn;

O Gott! wie hehr und herrlich
Mir dann die Stille dünkt,
Die nun auch mir zur Ruhe
Ins nahe Dörfchen winkt. -
Den lauten Dank versaget
Der Wonne Fülle mir.
Ein froher Blick zum Throne
Genügt, o Vater! dir. -

Der Weste Kußgeflüster
Treibt mich dem Hüttchen zu;
Dort harr ich, (im Gefühle
Der innern Seelenruh,
Wo durch die kleinen Fenster
Das Sternenvölkchen glimmt,)
Bis mich des Todes Bruder
In seine Arme nimmt.

Von keinem wilden Schwarme
Besoffener geweckt,
Von keinem trüben Bilde
Der Phantasie erschreckt,
Schlaf ich in Ruh und Frieden
Den jungen Tag heran,
Und schicke mit der Lerche
Mein Danklied himmelan.

Kömmt einst von meinem Leben
Der Abend auch herbei,
Gib, Gott, daß er wie dieser
Des Frühlingstages sei! -
Dann singt vielleicht am Hügel,
Wo meine Hülle lag,
Die Sängerin der Liebe
Mich für den Himmel wach.