Herbst - Anastasius Grün
Du gehörst zu meinem Leide
Du gehörst zu meinem Glück.
Dranmor
I.
In meinen späten Tagen
Was treibst du, altes Herz?
Was will dein tolles Schlagen,
Dein wonnevoller Schmerz?
Der Maientau, die Tränen,
Die du ins Aug' mir drängst?
Was will dies Frühlingssehnen,
Da Herbst es worden längst?
Verstummt sind alle Lieder,
Die Wälder stehn entlaubt,
Schneeflocken rieseln nieder
Aufs Feld und auf mein Haupt.
Gewölke schwer und bleiern
Im kalten Luftrevier,
Das Tal in Nebelschleiern, –
Mein Herz, wie steht's in dir?
Die Sommerfäden wiegen
Zerrissen sich im Raum;
Mir ist als säh' ich fliegen
Von einst den eignen Traum.
Die Schwalben mußten wandern
Und all mein Hoffen auch,
Verblaßt ist mit dem andern
Mein Grün im Windeshauch.
II.
Natur in ihrer Trauer,
Im Welken und Vergehn,
Ließ mich mit heil'gem Schauer
Ein holdes Rätsel sehn.
Vereinsamt noch am Strauche
Nur eine Rose hing,
Ein Spätling, dessen Hauche
Ein duft'ger Zauberring.
Sie trotzt dem rauhen Wetter
Und hütet, lenzgeweiht,
Im Rahmen weicher Blätter
Die ganze Rosenzeit.
Vergessen an der Hecke
Noch eine Traube hing,
Die in dem Blattverstecke
Dem Keltertod entging.
Im Frost noch birgt die Schale
Voll Würz' und Süßigkeit
Die Glut vom Sommerstrahle,
Das Gold der Sonnenzeit.
Was ich da außen sehe,
Wie ist's dem innen gleich!
Mir wird davon so wehe,
So wonnevoll zugleich.
Mein Herz, du teilst die Lose
Hast Nebel, Frost und Dorn,
Hast deine letzte Rose
Und deinen Feuerborn.
Daß auch dein Lenz nicht fehle
Erwacht mein Jugendlied,
Auf dem die ganze Seele
Zu ihr, zu ihr nur zieht.