Die Erde - Friedrich von Bodenstedt
Es lebt eine alte Königin
Der'n Lieb' ist immer neu,
Sie hat der Buhlen viere,
Doch keinem ist sie treu.
Der erste ist ein Knabe
In grünem Festgewand,
Der trägt viel Keime und Knospen
Und Blüten in der Hand.
Der zweite ist ein Jüngling,
Den schmückt ein blumig Kleid,
Des Wangen glühn und flammen,
Er atmet Glück und Freud'.
Ein ernster Mann ist der dritte,
Dem mischt sich Lust mit Groll
Er trägt in der Hand ein Füllhorn
Von goldnen Früchten voll.
Der vierte ist ein finstrer
Lustabgestorbner Greis.
Der wankt mit kahlem Haupte,
Des Blut gefriert zu Eis.
Und wenn der eine gehet,
Stellt sich der andre ein -
Es kann die alte Königin
Nie ohne Buhlen sein.
Sie liegt im Arm des einen,
Im Arm des andern bald -
Sie glühet mit dem einen,
Ist mit dem andern kalt.
Es wechseln ihre Gelüste
Und Launen wie der Wind, -
Und wie der alten Erde geht's
Manch jungem Erdenkind!