Die Tränen - Christian Ludwig Neuffer
Ihr liederwerten Tränen,
Die ihr dem Aug' entbebt,
Wenn Harm und banges Sehnen
In kranker Seele strebt,
Holdseligen! ihr stillet
Des Dulders langen Schmerz;
Mit eurem Tau entquillet
Genesung für das Herz.
Durch der Betrübnis Schleier,
Durch düstrer Wehmut Flor,
Hebt dann die Seele freier
Sich von der Erd' empor.
Sie trägt mit stillem Herzen
Der Prüfung Trauerzeit,
Und liebt die eignen Schmerzen,
Und schwelgt in ihrem Leid.
In süße Weh'n versunken,
Vom Staub hinweggerafft,
Fühlt sie sich stark und trunken
In junger Adlerkraft.
Verschwunden ist die Stätte
Der Klagen um sie her:
Sie fühlet nicht die Kette
Der schweren Hülle mehr.
Sie höret Geisterstimmen
In der Verzückung Traum,
Und Lichtgefilde schwimmen
Zu ihr im weiten Raum;
Sie lauschet, wie aus Fernen,
Der Hoffnung Zauberton,
Und ist schon über Sternen
Zur Gottheit aufgefloh'n.