Trinklied im Mai - Ludwig Hölty
Bekränzet die Tonnen,
Und zapfet mir Wein;
Der Mai ist begonnen,
Wir müssen uns freun!
Die Winde verstummen,
Und atmen noch kaum;
Die Bienlein umsummen
Den blühenden Baum.
Die Nachtigall flötet
Im grünen Gebüsch;
Das Abendlicht rötet
Uns Gläser und Tisch.
Bekränzet die Tonnen,
Und zapfet mir Wein;
Der Mai ist begonnen,
Wir müssen uns freun!
Zum Mahle, zum Mahle,
Die Flaschen herbei!
Zween volle Pokale
Gebühren dem Mai!
Er träuft auf die Blüten
Sein Rot und sein Weiß;
Die Vögelein brüten
Im Schatten des Mais.
Er schenket dem Haine
Verliebten Gesang,
Und Gläsern beim Weine
Melodischen Klang;
Gibt Mädchen und Knaben
Ein Minnegefühl,
Und herrliche Gaben
Zum Kuß und zum Spiel.
Ihr Jüngling', ihr Schönen,
Gebt Dank ihm und Preis!
Laßt Gläser ertönen
Zur Ehre des Mais!
Es grüne die Laube,
Die Küsse verschließt!
Es wachse die Traube,
Der Nektar entfließt!
Es blühe der Rasen,
Wo Liebende gehn,
Wo Tanten und Basen
Die Küsse nicht sehn!
Ihr lachenden Lüfte,
Bleibt heiter und hell!
Ihr Blüten voll Düfte,
Verweht nicht so schnell!