Der Tod - Wilhelm Waiblinger

Wenn aus des Mondes ernstem Lichte
Herab auf unbetret'ner Bahn
Zum unaussprechlichen Gesichte
Der Vorwelt stolze Helden nahn;
Wenn sie im Sturm und Wetterscheine
Dem Jünglinge vorübergehn,
Am alt verlass'nen Götterhaine
Wie Tannenschatten vor ihm stehn;

Wenn unter deinen Propyläen,
Athen, die trunkne Seele schweigt.
Den bunten Opferzug zu sehen,
Der morgendlich zum Tempel steigt,
Und wenn's im reinen Wellenklange
Aus des Cephissus Wassern dringt,
Im Myrten- und im Lorbeergange,
Wie Platon aus der Tiefe klingt;

Wenn unter'm lauen milden Himmel
Vom Berg die frische Rebe lacht,
Aus zart geranktem Laubgewimmel
Die Traube springt in ihrer Pracht,
Wenn um der Berge Nachbarreihe,
In duftig Morgenblau getaucht,
Das reine Gold der ersten Weihe
Die holde Morgenröte haucht;

Wenn Freunde sich am Halse liegen
Voll Jugend, Seele, Kraft und Mut:
Und sich im Lebenskampfe wiegen,
Wie Föhren in der Stürme Wut:
Wenn im erhab'nen Flammentriebe,
Zu Taten und Unsterblichkeit,
Zur unerschütterlichen Liebe
Ein Halbgott sich dem andern weiht;

O wenn das grenzenlose Leben,
Sich siegend aus dem Kampfe stritt,
So wie ein heller Stern, der eben
Hervor im Jugendstrahle tritt,
Wer sollte da zum Gott nicht flehen,
Ende, vollende diese Lust!
Laß unter Jauchzen mich vergehen,
Unsterblicher, an deiner Brust!