Das Mädchen im Frühling - Wilhelm Waiblinger

Ach! was ist's, das aus dem Laube
Sanft und hold herüber schwirrt,
Zärtlich, wie die Turteltaube,
Die aus grüner Myrte girrt?
Aus der Ferne, aus der Nähe,
Aus dem Schatten, aus dem Licht
Wie ein süß verhaltnes Wehe
Zum verwandten Herzen spricht?

Was ich ahnte, was ich fühlte
Noch als kaum entquollnes Kind,
Was mir meine Wangen kühlte,
Sanft wie Paradieseswind,
Was mir zart, wie Mondlicht webend,
Oft in's nasse Auge kam,
Und wie Lindenblüte, bebend
Durch den offnen Busen schwamm:

Bricht es nun aus Blumenhügeln
Voll hervor in Wonneschmerz?
Rauscht es nicht auf Liebesflügeln
Überschwänglich mir an's Herz?
Wie ein ausgehaucht Verlangen
Himmlisch rötet sich die Flur!
Könnt' ich, könnt' ich dich umfangen
Ew'ge, heilige Natur!