An die goldene Feder von Palemon geschenkt - Anna Louisa Karsch

Du, mir aus Händen der Freundschaft
In diese schreibende Hand
Zu langer Dauer gegeben,
Schreib kein unheiliges Lied!

Dich schuf aus glänzendem Erze
Der Schmuck arbeitende Schmied!
Zeus gab nicht unter dem Himmel
Aus einem Vogel dich mir!

Der Strauß, die balzenden Hahnen
Am hohen Brocken im Lenz,
Der Pfau mit prächtigem Rade,
Die alle trugen dich nicht.

In reichgesegneter Ader
Trug dich, vor deiner Geburt,
Ein Berg, den Hacken durchwühlen
Gedingt von menschlichem Geiz!

Dich bracht auf stürmischer Welle
Vielleicht ein schwimmendes Haus
Von der barbarischen Küste,
Wo Cannibalen ein Lied,

Dem Tod im Feuer zu trotzen,
An einem hölzernen Spieß
Noch singen: daß sie gebraten
Des Feindes Brüder auch einst!

O du mir köstliche Feder!
Dich las ein Mädchen vielleicht
Aus einem Bache voll Goldsand,
Und sagte seufzend dabei:

"Wo bleibt der liebende Jüngling?
O, mir verächtlicher Staub!
Sein Herz im lächelnden Aug
Glänzt mehr, ist teurer als du!"

So sprach das Mädchen vielleicht
Zu dir noch rohem Metall!
Itzt aber bist du gebildet
Für mich zu hohem Gebrauch!

O nur den Göttern und Helden
Zu schreiben diene du mir,
Und göttlich denkenden Freunden
An Tagen ihrer Geburt!