Gruß an das Meer - Friedrich von Bodenstedt
Gürtel der Erde,
Spiegel des Himmels,
Urborn des Lebens,
Wogende Meerflut,
Sei mir gegrüßt!
Hell glänzt mein Auge
Bei deinem Anblick,
Frisch wieder atm' ich
Bei deines Odems
Lösendem Hauch.
Göttergeschlechtern
Wurdest du weiland
Wiege und Grabmal -
In deiner Tiefe
Webt noch ihr Geist.
So bist du wechselnd
Schlachtfroh wie Odin,
Tückisch wie Loki,
Freundlich wie Baldur,
Stürmisch wie Thor.
Deiner Gewalten,
Deiner Zerstörung
Furchtbare Spuren
Prägen der Veste
Dauernd sich ein.
Aber du selber
Duldest nicht Spuren
Ird'scher Gewalten -
Unüberwindlich
Bleibt deine Macht.
Schiffe verschlingst du,
Trotzige Menschen
Die mit dir kämpfen,
Beutst du der Tiefe
Tieren zum Fraß.
Doch die dich lieben,
Die dir vertrauen,
Finden dich huldvoll -
Leidenden beutst du
Heilende Kraft.
Alles auf Erden
Altert und wechselt -
Du aber bleibst in
Jugend und Frische
Immer dir gleich.
Gürtel der Erde,
Spiegel des Himmels,
Urborn des Lebens,
Wogende Meerflut,
Sei mir gegrüßt!