Erwartung - Joseph Christoph von Zedlitz
Am Fenster saß der Ritter
Schon um den achten Tag;
Auf seinem Herzen doppelt
Die Qual des Kerkers lag.
Die Taube war entflohen
Und war nicht mehr gekehrt,
Wie auch nach ihrem Kommen
Des Ritters Herz begehrt.
Was ist mit ihr geschehen,
Daß sie so lange weilt?
Hat sie auf ihrem Fluge
Des Jägers Pfeil ereilt?
Hat ihr ein Vogelsteller
Ein trüglich Netz gestellt?
Verrat ist nimmer müßig,
Voll Arglist ist die Welt!
Ist denn mein Liebchen gestorben?
Dann wehe meiner Not!
War sie doch, als wir schieden,
Wie eine Rose rot! –
Wie, oder zieht die Taube
Nun einen neuen Flug?
Trägt Botschaft sie nun Andern
Wie sie zu mir sie trug? –
Dann stürzt zusammen, Mauern,
Und decket mein Gebein!
Dann nimm in deine Wogen
Mich auf, du alter Rhein! –