Die Klippe - Johann Jakob Reithard

Dem bewegten Meer entstiegen,
Steht die Klippe schroff und einsam,
Während freudig und gemeinsam
Weiche Fluten sie umschmiegen.

Und sie möchte gern sich drängen
In der Wogen sanfte Brandung,
Möchte gern die starre Wandung
Mit lebend'gen Wassern mengen.

Doch versagt ist ihr die Gabe
Und vergebens pocht die Welle
An die starre Felsenschwelle -
Ach, sie pocht an einem Grabe!

Wohl vernimmt im tiefsten Innen
Der gefang'ne Geist dies Klopfen -
Eine Quelle heißer Tropfen
Läßt er schmerzvoll niederrinnen .....

Doch vom Haupt bis zu den Füßen
Zuckt der Felsen singend, klingend,
Kömmt die Brandung, höher springend,
Ihm die rauhe Stirn zu küssen.

Perlen schüttelt er vor Freuden
Aus des starren Mantels Falten;
Rosen die er aufbehalten
An verborgenen Gestäuden.

Und ihm ahnt es still gemutend,
Was er war, werd' einst er wieder:
Eine Woge - auf und nieder
Durch das freie Weltmeer flutend.