An Sylvien / Über ihre Unempfindlichkeit - Benjamin Neukirch

Sylvia ist wohlgemacht.
Ihre Glieder sind wie Ketten,
Und ich wollte sicher wetten,
Daß von hundert Amouretten
Drei nicht ihre Schönheit hätten,
Noch ihr holdes Angesicht;
Nur ihr Herze tauget nicht.

Sylvia ist angenehm.
Ihre Lippen sind Corallen,
Ihre Brüste Zuckerballen,
Und ihr hönigsüßes Lallen
Gleicht den jungen Nachtigallen,
Die die Mutter abgericht;
Nur ihr Herze tauget nicht.

Sylvia ist voller Lust.
Sie verbirget, was sie schmerzet,
Sie ergetzet, wenn sie scherzet,
Sie bezaubert, wenn sie herzet,
Lachet, wenn man sie verschwärzet,
Und hört alles, was man spricht,
Nur ihr Herze tauget nicht.

Ach, du ungezognes Herz!
Wenn du denn allein mißfällest,
Wenn du ihren Geist verstellest
Wenn du ihren Mund vergällest,
Und mit Trotze von dir prellest,
Was sich dir und ihr verpflicht;
Warum änderst du dich nicht?


Ein anders
Zur Antwort aufs vorige

Schweig mein Herz! und lag es sein;
Denn es ist dir recht geschehen,
Du wirst eher Stahl und Stein,
Als Silvetten lieben sehen.
Bring es, wie du willst, so nah,
So erlangt dein treues Flehen
Niemals doch ein süßes Ja.