Tauwetter - Gustav Jahn

Das Wetter ward gelinde,
Der Wind sprang um zu Nacht;
Da hat der Schnee geschwinde
Wegfertig sich gemacht.
Es tropft von jedem Dache
Der Winter mit Verdruß,
Das Rinnsal wird zum Bache,
Das Bächlein schwillt zum Fluß.

O, wie dies Spiel des Märzen
Mich heut ergötzet hat!
Fand doch in meinem Herzen
Ein Gleichnis hiervon statt.
Das Weh von vielen Tagen,
Das aufgehäuft hier war,
Hat in die Flucht geschlagen
Ein blaues Augenpaar.

Strömt hin, ihr trüben Wellen
Des wilden Bächleins drauß,
Mein Gram soll sich gesellen
Dem Lärmen und Gebraus.
O, stürmt mit dem Begleiter
Auf Nimmerwiederkehr,
Nur weiter, immer weiter,
Bis nach dem fernen Meer!

Und sind verlaufen alle
Die vielen Wässerlein,
Zieht König Lenz mit Schalle
In seine Lande ein.
Bald blühn die roten Rosen
Und streuen Düfte lind,
Bald kann ich wieder kosen
Mit meinem blonden Kind.

Und flieht der Lenz, der holde:
Ich sehn ihn nicht zurück;
Denn mit dem Saatengolde
Reift auch mein höchstes Glück.
Ein froher Schnitter heuer
Zieh ich zur Ernte aus,
Und wie des Landmanns Scheuer,
So segnet Gott mein Haus!