Die Rose im Staub - Karl von Gerok

Liegst am Boden, arme Rose,
Eines losen Buben Raub,
Blühtest ach! zu bess'rem Lose,
Als zu welken hier im Staub!

Doch der Knabe sah dich prangen
Als des Gartens Königin,
Und er fühlt' ein frech' Verlangen,
Brach dich ab - und warf dich hin.

Hätt' er treu dich heimgetragen,
Sorgsam dich ins Glas gesetzt,
Hätt'st du noch von Tag zu Tagen
Dich erquickt und ihn ergötzt.

Hätt' ein Frühlingssturm die Blätter
Dir zerstreut erbarmungslos:
Sterben unter Blitz und Wetter
Ist ein schönes Blumenlos.

Aber hat die holde Sonne
Darum deinen Kelch enthüllt,
Gott und Menschen ihn zur Wonne
Mit dem süßen Duft gefüllt,

Daß du sollst zur Beute werden
Eines Buben kurzer Lust,
Daß du schnöd' im Staub der Erden
Dich zertreten lassen mußt? -

Kommt ein Kind dich aufzulesen,
Doch die Mutter wehrt und spricht:
„Laß, wer weiß wem sie gewesen?“
Und das Kind begehrt dich nicht. -

Gestern hätt'st du noch mit Ehren
Einer Fürstin Brust geschmückt;
Ach! und heute muß man wehren,
Daß ein Kind sich nach dir bückt!

- Und warum bei deinem Lose
Mir das Herz vor Wehmut bricht:
Du in Staub getret'ne Rose,
Ach! du bist die einz'ge nicht!