Zwei Gräber - Franz von Dingelstedt

Gebt diesen Toten mir heraus!
Schiller, Don Karlos

Bei Bornheim auf der Heide
Steht eine Pappel grau,
Und eine graue Weide
In der Brigittenau.

Die fernen, fremden Bäume
Sind doch verbrüdert beid':
Sie haben gleiche Träume,
Sie tragen gleiches Leid.

Das Gras in ihrem Grunde,
Statt grün, ist fahl und tot;
Ihr Laub färbt - eine Stunde
Im Jahr - sich blutig rot.

Und wann der Abend düstert,
Da rauscht's im Wipfel laut,
Da schüttelt sich's und flüstert:
Wer's einmal hört, dem graut!

Allnächtlich hüpft ein kleines
Irrlicht auf feuchtem Plan,
Das leuchtet blauen Scheines
Die nackten Stämme an.

Gestalten, schwarz, verschwommen
In blutigem Gewand,
Verschwinden, gehn und kommen,
Und winken mit der Hand.

Was mögen das für Plätze,
Für Bäum' und Schatten sein?
Was grub man dort für Schätze
Im Schoß der Erde ein?

O laß die Schätze liegen,
O laß die Bäume stehn;
Es wäre gut, sie schwiegen
Von dem, was sie gesehn!

Versuch' es nie zu heben
Das Gold aus jenem Grund;
Vergessen und Vergeben!
Es ist die eilfte Stund'!